Alex Callinicos, Professor für Europäische Studien am King’s College London> und zuvor Professor für Politikwissenschaft an der University of New York, hat am Sonntag, den 25.10.09 im Audimax auf der Uni Wien Stellung zu den jetzigen Protesten bezogen.
Gleich zu Anfang erklärte er seine volle Unterstützung und Solidarität. Sichtlich bewegt von der aktiven Arbeit so vieler StudentInnen betonte er, wie wichtig es ist, im Sinne der Bildung zu kämpfen und diese auch zu verteidigen. Der Professor studierte selbst vor mehr als 20 Jahren als Kurzzeit-Studierender an der Uni Wien.
Callinicos beschäftigt sich seit langem mit den Auswirkungen der Marktwirtschaft und des Neo-Liberalismus auf die Gesellschaft. Dieses Gedankengut hat sich in der Wirtschaft manifestiert und somit auch in das Bildungssystem eingeschlichen. Daraus resultierend sind die Universitäten zunehmend von den Regeln des Wettbewerbs, der Rivalisierung, der Effizienz und Leistung unterworfen. Es geht nicht mehr darum im Sinne von Neugier, Interesse und Wissensdurst zu forschen, sondern jegliche Universitäten und Institute stehen unter extremen Leistungsdruck, der unmittelbar an die Finanzierung der Projekte geknüpft ist. Dieser Prozess basiert auf dem Verlust der Individualität der StudentInnen, der kritischen Geisteshaltung und es entsteht eine unnatürliche, nicht auf Wissenschaft basierende Hierarchie.
In seiner Arbeit betrachtet er vor allem die Entwicklung der britischen Universitäten, die besonders unter dem finanziellen Druck der Regierung stehen. Es kommt zu einer billigen Massen-Uni für viele und Elite-Studiengänge für wenige. Die ständige Konkurrenz der wissenschaftlichen Ergebnisse führt zu einem extremen Wettbewerbsdenken unter den verschiedenen Fakultäten. Berühmte Professoren werden mit hohen Gehältern gelockt, wobei der größte Teil des Lehrpersonals nur gering entlohnt wird und in vielen Fällen sogar nur Teilzeit beschäftigt ist.
Callinicos Meinung nach werden StudentInnen zunehmend zu KonsumentInnen gemacht, die durch das Studium ihre Qualifikationen für den Arbeitsmarkt „erwerben“. Für ihn verkommt die Uni zu einer Verkaufstelle von Kursen, die ein angeblich gutes Leben garantieren.
In Großbritannien werden jährlich ungefähr 3000 Euro von jedem Studierenden in Form von Studiengebühren eingenommen. Callinocis sieht dabei die Gefahr, dass die zuständigen Organe immer nach mehr aus sind und sobald es keinen freien Unizugang gibt, auch immer mehr eingefordert wird. In seinem Beispiel an Großbritannien wären für die RektorInnen und das zuständige Universitätsresort 10000 bis 12000 Euro wünschenswert.
Ständige Budgetkürzungen werden natürlich durch die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise noch begünstigt. Für die Sanierung der Banken werden Schulden in Milliardenhöhe aufgenommen, für Bildung steht diese Option jedoch nicht zur Debatte – wäre sie doch das wertvollste, um darin zu investieren.
Nach Callinicos ist die Gesellschaft nun viel zu lange dem System des Neo-Liberalismus gefolgt und jetzt wäre die Zeit etwas zu verändern, da gerade der Moment der Krise eine Gelegenheit ist Neues zu schaffen und diese Gelegenheit einfach zu gut ist, um sie zu verschwenden. Am Anfang steht immer eine Tat und der Zeitpunkt zum Widerstand ist da!
LECTURE BY PROF. ALEX CALLINICOS
Alex Callinicos, Professor for European Studies at King’s College London and former Professor for Politics at the University of New York, visited the squatted Audimax at the University of Vienna and commented on the recent protests.
Initially, Alex Callinicos declared his full support and solidarity with the protesters. Clearly moved by the energetic work of so many students, he pointed out how important it is to fight for and to be willing to defend ones education. Twenty years ago, he himself studied as a short-term student at the University of Vienna.
For a long time now, Mr. Callinicos concerns himself with the impact of free market economy and Neo-liberalism on society. The thoughts of Neo-liberalism have become manifest in economy and thus have infiltrated the educational system. As a result, universities are dominated by rules of the free market, by rivalry, efficiency and achievement. Education is not about curiosity, interest and thirst for knowledge anymore. Universities and institutes are under an extreme pressure for achievement which is directly linked to their financing. This process is based on the loss of the students individuality and their critical minds. Therefor an unnatural hierarchical structure, which is not based on science, emerges.
His work is primarily observing the development of British universities, which are put under exceptional financial pressure by the government. This leads to a cheap mass-university for many and to an elitist university for few. Constant competition for scientific results causes extremely competitive thinking among faculties. Famous lecturers are being attracted with high wages whereas the largest part of the staff receives only minimal wages and can often work only part time.
In Callinicos opinion, students are increasingly made customers of their university, ›acquiring‹ their qualifications for the employment market. Universities are depraving, becoming solely outlets for courses, allegedly guaranteeing a good life.
In Great Britain, about 3000€ per year are being earned from every student in terms of tuition fees. For Callinicos it is clearly a danger, the responsible institutions are longing for more, and will demand more as soon as free access to universities is prohibited. In his example, 10000€ – 12000€ would be desirable for the rectors and their associated universitary branches.
Permanent financial cutbacks are being imposed on the universities because of the ongoing financial crisis, whereas the debts which pay for the recapitalization of the banks are in the billions. Unfortunately this option is not considered for education – being the most valuable thing to invest in.
Too long now, society has followed the system of neo-liberalism, and now would be the time to change something. The moment of crisis is an opportunity to create something new, and this opportunity is too good to be wasted. It always starts with an act and the moment for resistance is now!